Musikalische Entdeckungen

Musikalische Entdeckungen


VON WILHELM SINKOVICZ

Solisten begegnet man im Wiener Philharmonischen Abonnement eher selten. Hier und da
werden es aber sogar mehr, als auf dem Plakat stehen. Aber der Reihen nach: Am Mittwoch
musizierte das Orchester im Meisterinterpreten-Zyklus der Gesellschaft der Musikfreunde eine
Voraufführung des Programms, das im kommenden Philharmonischen Zyklus zu erleben sein
wird. Daniil Trifonov macht auf seiner Werbetour für seine jüngste CD, die Werken Sergei
Rachmaninows gilt, in Wien Station.

Das führt zu seltenen Begegnungen mit dem vierten und letzten der Klavierkonzerte des
russischen Meisters. Im vorrevolutionären Moskau sitzend, aber erst nach Jahren der
Erinnerung an ferne Schönheitsideale.

Das philharmonische Debütprogramm bescherte dem aus der Staatsoper bestens vertrauten
Maestro einen geradezu triumphalen Erfolg. Verdient, denn auch Rimski-Korsakows “Goldener
Hahn” funkelte edel metallisch glänzend und in Ravels “Daphnis und Chloé”. Aber auch zu
Beginn, in Debussys “Nachmittag eines Fauns” brillierte eine zweite, exzellente Solistin dieses
Abends: die junge Flötistin des Orchesters, Silvia Careddu, die mit warmem Ton und
geschmeidiger Eleganz für sich einnahm. Noch ein Beispiel von vielversprechendem Format.

Im amerikanischen Exil vollendet, gilt dieses Stück als Musterbeispiel für eine typische
Spätphase, die jeglicher Pose und – bei diesem Komponisten muss man das dazu sagen –
jeglichem Anflug von Kitsch abhold ist. Vor allem, wenn man Partituren so liest wie Trifonov.
Im Verein mit dem Dirigenten Alain Altinoglu bot der Pianist eine Rachmaninow-Interpretation,
die wohl viele Hörer überraschte, wenn nicht vor den Kopf gestoßen hat: Trocken, glasklar und
ohne dominierende Virtuosengeste arbeitete Trifonov jedes Detail des Soloparts heraus, immer
bedacht auf die klangliche Integration in das große Ganze: Die Philharmoniker fügten sich ins
bemerkenswerte kontrapunktische Gefüge ein.

Fingerfertigkeit und Analyse

So hat man Rachmaninow noch nie gehört. Sehen doch die oft scharf geschnittenen, in
vielfältigen Farbmixturen gezeichneten Klänge eher Strawinskys “Petruschka” als Tschaikowskys “Schwanensee” nahe. Im Mittelsatz scheint Rachmaninow gar Bela Bartóks visionäre Klangwelten vorauszuahnen, die dieser in seinem späten, dem Dritten Klavierkonzert im Mittelsatz beschwört: Schon bei Rachmaninow setzt das Orchester einen ruhigen Choral einer karg meditativ wachsenden Improvisation des Solisten entgegen. Da braucht es Fingerfertigkeit der höheren Ordnung, die ganz im Dienste der Durchleuchtung harmonischer und motivischer Strukturen steht – Trifonov bietet sie auf dem Bösendorfer (wer hätte das bei Rachmaninow gedacht) in technischer Vollkommenheit; und Altinoglu leitet das Orchester.

Leave a Comment

Scroll to Top